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Enerige & Management > Aus Dem Jahresmagazin  - „Die Interessen ergänzen sich perfekt“
Quelle: E&M
AUS DEM JAHRESMAGAZIN :
„Die Interessen ergänzen sich perfekt“
In Halle spielen Partner aus unterschiedlichen Branchen eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Energiewende, wie Stadtwerkegeschäftsführer Matthias Lux berichtet.
 
E&M: Herr Lux, Sie haben im vergangenen Frühjahr bei einer Konferenz davon gesprochen, dass die Stadtwerke Halle in den nächsten zehn Jahren rund 1,2 Milliarden Euro zusätzlich investieren müssen. Wissen Sie schon, wo Sie das Geld hernehmen?

Lux: Wir müssen zunächst einmal drei Perspektiven betrachten: Zum einen gibt es die Möglichkeit, Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel ist die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze. Dann ergibt sich aus der enormen Höhe der zusätzlichen Investitionen auch eine wachsende Innenfinanzierungskraft. Denn die Abschreibungen, etwa bei den Netzen, wachsen ja mit. Allerdings nicht sprunghaft angesichts der langen Nutzungsdauer, aber man darf diesen Beitrag nicht außer Acht lassen. Und dann − bevor man für den Rest des Investitionsbedarfs Eigen- oder Fremdkapital heranzieht − hat man die Möglichkeit, Projekte Off-Balance zu finanzieren.

E&M: Heißt das, die Bilanz wird dadurch nicht belastet?

Lux: Genau. Denn die Grundlage für eine Kreditentscheidung von Banken ist üblicherweise die Bilanz eines Unternehmens. Die ist aber nicht unendlich strapazierfähig. Deshalb finanziert man bestimmte Projekte außerhalb der Bilanz. Das geht zwar nicht mit den Netzen, aber für Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist das beispielsweise ein probates Mittel. Wir machen das in diesem Bereich schon seit etwa acht Jahren.

E&M: Dazu braucht man eine Projektgesellschaft?

Lux: Ja, mit jeweils zumindest einem Partner. Man muss dann aber bereit sein, auf die Mehrheit der Stimmrechte und damit die Kontrolle zu verzichten. Eine Off-Balance-Finanzierung ist nur möglich, wenn man 50 Prozent oder weniger Anteile hat. Das ist für uns auch kein Problem, denn es kommt nicht darauf an, Macht auszuüben. Die energiewirtschaftliche Komponente ist für uns entscheidend. Wir wollen grünen Strom erzeugen.
 
Matthias Lux, Geschäftsführer der Stadtwerke Halle
Quelle: Stadtwerke Halle / Felix Abraham


E&M: Reichen die Einlagen der Gesellschafter zur Finanzierung aus?

Lux: Nein, die Gesellschafter bringen gemeinsam vielleicht 20 oder 30 Prozent der Gesamtsumme auf. Für die übrigen 70 Prozent kann man Banken für die Finanzierung gewinnen. Damit nehmen wir ‚klassisches‘ Fremdkapital in Anspruch, aber nur auf die Bilanz der Projektgesellschaft. Die Sicherheit für die Bank ist dann das EEG mit seinem Förderregime.

E&M: Welche Partner kommen hier in Frage?

Lux: Wir haben Projekte mit unterschiedlichen Partnern umgesetzt. Angefangen haben wir mit einer Unterstützungskasse, also einer Institution der Altersvorsorge. Unsere Interessen ergänzen sich perfekt. Die Kasse hat eine langfristige sichere Geldanlage gesucht und wir wollen grünen Strom erzeugen. Bei einem anderen Projekt ist ein Bauunternehmen, das Flächen zur Verfügung hatte, als Partner dabei. Auch hier haben wir wieder komplementäre Interessen. Das Gleiche gilt im Prinzip für Versicherungen.

E&M: Sie haben auch Projekte mit anderen Stadtwerken umgesetzt und weitere geplant. Da sind die Interessen nicht mehr ganz so komplementär, oder?

Lux: Das stimmt. Wir müssen uns den erzeugten Strom teilen. Aber wir haben einen Partner mit hoher energiewirtschaftlicher Kompetenz, der sowohl bei den Behörden als auch den Banken, den Kommunen, den Grundstückseigentümern und nicht zuletzt in der Bevölkerung großes Vertrauen genießt. Das ist viel Wert und auch ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit, das die Bedeutung der Energiewende unterstreicht.

E&M: Was halten Sie von Kapitalanlagefonds?

Lux: Auch das sind potenzielle Partner, vor allem solche, die den Fokus auf nachhaltige Investments legen. Mit solchen Kapitalsammelstellen haben wir bisher aber noch keine Projekte umgesetzt.

E&M: Unter Umständen wollen private Partner auch im operativen Geschäft mitreden. Wäre das ein Hinderungsgrund?

Lux: Im Rahmen von Off-Balance-Finanzierungen können wir uns private Beteiligungen sehr gut vorstellen und haben ja auch solche Partnerschaften. Für die Stadtwerke Halle GmbH hat ein solches Modell im Moment keine Priorität. Das ist aber keine dogmatische Antwort. Denn wenn man sich in der Stadtwerkelandschaft umschaut, sieht man eine ganze Reihe von privaten Beteiligungen. Es gibt aber auch genügend Beispiele von Stadtwerken, die ohne weiteren Gesellschafter sehr erfolgreich sind − wie uns in Halle. Was die Mitsprache anbelangt: Die kommunale Wärmeplanung ist eine sehr lokale Angelegenheit mit ganz weitreichenden Folgen für die Stadt und die Menschen vor Ort. Deshalb müssen die Entscheidungen dafür auch vor Ort von Menschen getroffen werden, die die Gegebenheiten sehr genau kennen.

E&M: Bleiben wir noch kurz beim Stadtwerk und der Kommune. Zusätzlich zu Innenfinanzierung, Off-Balance und Fördermitteln benötigt man Eigenkapital. Lohnt sich überhaupt der Weg zum Stadtkämmerer?

Lux: Aus meiner Sicht muss man auf jeden Fall mit der Kommune sprechen. Das klingt auf den ersten Blick absurd, weil die meisten Städte ja kein Geld haben. Aber zum einen sprechen wir ja nicht über Konsum, sondern Investitionen, die auch Gewinne erzielen. Zum anderen ist die Transformation, welche die Stadtwerke derzeit durchlaufen, aus meiner Sicht durchaus mit einer Neugründung zu vergleichen − mit höheren Cashflows als zuvor. Das könnte schon die Basis für zusätzliches Eigenkapital sein. Am Ende könnte dies eher möglich sein, als Gewinne zu thesaurieren.

E&M: Eigenkapital ist also nicht gleich Eigenkapital?

Lux: Gewinne, die für Investitionen herangezogen und nicht ausgeschüttet werden, fehlen den Kommunen. Wenn beispielsweise der ÖPNV nicht vom Stadtwerk, sondern der Kommune finanziert und betrieben wird, müssen dafür eigene Haushaltsmittel vorgesehen oder gegebenenfalls höhere Preise verlangt werden. Das ist für die Kommunen oft schwieriger, als dem Stadtwerk zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.

E&M: Was können Sie mit Bürgerbeteiligungen erreichen?

Lux: Wir haben in Halle zweimal eine Bürgerbeteiligung bei Freiflächen-PV-Anlagen angeboten und damit gute Erfahrungen gemacht. Es ist ein Modell, das wir fortführen werden. Aber in unserem Zehn-Jahres-Finanzierungsplan spielt es keine dominante Rolle. Für die Bürgerinnen und Bürger ist im Zweifelsfall auch wichtiger, dass ihre Interessen bei der Wärmewende gewahrt bleiben. Denken Sie nur an zwei Hausbesitzer in unmittelbarer Nachbarschaft. Der eine hat vor fünf Jahren eine neue Gasheizung angeschafft und möchte das goldene Ende seiner Investition in zehn oder fünfzehn Jahren erleben. Der andere hat eine 20 Jahre alte, reparaturanfällige Heizung und erwartet einen Fernwärmeanschluss. Wir als Stadtwerke wünschen uns Planungssicherheit und möchten den Ausbau der Infrastruktur effizient vornehmen. Hier zu einem fairen Interessenausgleich zu kommen, das ist aus meiner Sicht eine für alle Seiten lohnende Bürgerbeteiligung. Diese setzt aber erst einmal eine sehr intensive Kommunikation voraus. 

 

Doppelt, vierfach, sechsfach

Als kommunale Unternehmen spielen die Stadtwerke bei der Wärmewende eine wesentliche Rolle, die ihnen schon bei der Energie- und häufig auch Mobilitätswende zukam. Auch die Stadtwerke Halle mit ihren konzernweit 3.000 Mitarbeitern und 910 Millionen Euro Jahresumsatz sind sowohl Energie- und Wasserversorger als auch Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs, der Bäder sowie der Abwasser- und Abfallentsorgung. Entsprechend groß ist der sich mit den Energiewende-Aufgaben zusätzlich zu den üblichen Finanzierungserfordernissen ergebende Investitionsbedarf. In den kommenden Jahren muss die Gruppe im Vergleich zum derzeitigen jährlichen Ausbau unter anderem eine Verdopplung der Trafostationen, eine Versechsfachung der Fernwärmenetzanschlüsse und eine Vervierfachung der Fernwärmetrassen stemmen.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien kommen Projektgesellschaften zum Tragen. So wurde etwa mit der Ingenieurversorgung Baden-Württemberg als Co-Investor die EVH Grüne Energie gegründet. Auch mit kommunalen Unternehmen gibt es Kooperationen wie etwa mit den Stadtwerken Dessau.
 

Fritz Wilhelm
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